Es ist noch nicht lange her, da brach ein Shitstorm über die ersten Schweizer Skateboard Meisterschaften los, da sie den Frauenkategorien weniger Preisgeld zahlen wollten als den Männern. Während sogar Galaxus Werbung mit dem Gender Sternchen macht, scheint Swiss Skateboard das neue, längst fällige Jahrzehnt verpasst zu haben. Am Ende machten sie das Preisgeld innerhalb der Kategorien Park und Street für die Geschlechter gleich, doch irgendwie verschwanden 700 CHF. Manche sagen das war die Lohnzahlung für den Adminaufwand, andere befürchten ein sexistischer Sponsor ist abgesprungen, eine klare Antwort bekam niemand.

@flow_zkid
Dem Shitstorm setzten sich jedoch auch Stimmen entgegen. Unter die meistgehörten Argumente gehörten: «Wenn mehr Jungs mitmachen, dann muss das Preisgeld auch fair verteilt werden». Oder «Die Jungs fahren halt besser und sind somit interessanter». Oder «Wenn es wirklich gleichberechtigt sein soll, dann sollte es keine Kategorien geben». Stimmen, die das Ausmass der Aussagen und überhaupt dem ganzen Debakel nicht erkannten. Denn es steckt viel mehr als nur ungleiches Preisgeld dahinter. Lass uns also einmal genauer auf diese Statements eingehen und das grosse Ganze betrachten.
«Wenn es wirklich gleichberechtigt sein soll, dann sollte es keine Kategorien geben»
Während den Schweizer Skateboad Meisterschaften konnten Olympia-relevante Punkte geholt werden. Wir gehen also von einem Wettkampf im Rahmen des Leistungssports aus. Um den Statements eine faire Antwort geben zu können, machen wir also einen Exkurs in die, vor allem geschlechtlichen, Aspekte des Leistungssports.
Der Leistungssport stellt, wie es der Name schon sagt, Leistung in den Mittelpunkt, alles andere drumherum ist nicht wichtig. (Man denke an die Berichte von Magglingen). Er verfolgt zwei Prinzipe: ein Prinzip der Chancengleichheit, weshalb etwa verschiedene Ligen, Wettkampfklassen oder Gewichts-, Alter und Geschlechtsklassen existieren. Und ein Prinzip der Natürlichkeit, welches sich vor allem aufs Dopen konzentriert. Diese Regeln ändern jedoch ständig und setzten eine Norm von Natürlichkeit voraus, welche nicht genau definiert ist. Ein herrliches Beispiel ihrer fairen und natürlichen Vorstellungen ist etwa, dass alle weiblichen Sportlerinnen regelmässig einen Testosterontest machen müssen, Männer aber nicht. So kreiert der Leistungssport also eine klare Frauenklasse nach seinem Gusto.
Leistungssport setzt mit diesen zwei Prinzipien eindeutig eine Zweigeschlechtlichkeit voraus. Erst 2018 etwa setzen sie im Eiskunstlauf die Regel fest, dass Männer die «Männerschritte» machen müssen und die Frauen die «Frauenschritte». Und auch gleichgeschlechtliche Paare müssen als cis-Pärchen auftreten (als Mann und Frau). Diese festgelegte Zweigeschlechtlichkeit muss akzeptiert werden, wenn man teilhaben will. So wie Leistungssport momentan und seit Jahrzehnten aufgebaut ist, ist eine Auflösung der Kategorien undenkbar. Beziehungsweise durch einen Schweizer Shitstorm nicht möglich. Das Kategorienprinzip ist fast schon ein Pfeiler des Leistungssports. Was nicht heisst, dass er okay ist.
«Die Jungs fahren halt besser und sind somit interessanter»
Der Aufbau des Leistungssports geht zudem von einer natürlichen, männlichen Überlegenheit aus. Frauen haben nur in ihrer Kategorie eine Chance. Aus Angst, dass sich ein Mann in die Frauenkategorie einschleichen könnte und somit allen überlegen wäre, müssen Frauen einen Testosterontest machen. Kein Witz, 1964 hatte man Angst ein Mann könnte als verkleidete Frau alle Medaillen absahnen und führte deshalb Verifikationen ein für Frauen. Umgekehrt wurden im Tennis Kategorien eingeführt nach dem eine Frau einen Sieg nach dem andern erlebte und so die Männer dumm aussehen liess. Leistungssport vertritt klare Geschlechterhierarchien, an welchen nicht gerüttelt werden darf.
Frauensport gilt immer als Abweichung von der Norm; dem «Original» Männnersport. Es heisst ja auch Fussball und Frauenfussball, Skaten und Frauenskaten. Die Frauen sind immer das Anhängsel, dass man halt vielleicht dann auch noch schaut. Um die armen Frauen zu schützen, gibt es deshalb auch extra Regeln für sie. Bodychecks im Eishockey sind zum Beispiel bei den Frauen nicht erlaubt und sie müssen mit einem schützenderen Helm spielen als die Männer. Dies ist zudem auch ein Beispiel weshalb Zuschauer*innen manchmal das Gefühl haben Frauen spielen nicht richtig oder es ist langweilig.
«Wenn mehr Jungs mitmachen, dann muss das Preisgeld halt auch fair verteilt werden»
Die Strukturen von diesem Sportbereich wandeln sich in eine Normalität, in eine Logik, in Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel, dass es spannender ist Männer zu zusehen als Frauen. Oder, dass Frauen Männern leistungsmässig unterlegen sind. Hierbei geht es nicht darum zu beweisen, ob es wirklich so ist oder nicht, sondern aufzuzeigen, dass diese natürliche Norm existiert und angenommen wird. Die Prinzipien und das zweigeschlechtliche Modell denen der Leistungssport folgt und am Leben erhält, werden fast nie in Frage gestellt. Sie werden als normal und natürlich angenommen. Dabei leiden nicht nur Frauen drunter, sondern so ziemlich alle non-binären und trans Sportler*innen. Woher nimmt etwa der Leistungssport das Recht festzumachen was eine Frau ausmacht? Woran werden diese Kategorien festgemacht? Und wieso ist ihr Einfluss noch immer so gross?
Ob und wie die Prinzipien des Leistungssports umkonstruiert werden sollen und können, will ich hier gar niemandem aufzeigen. Sondern, dass das Problem in unseren Köpfen ist. Und bevor Gegenargumente, wie eines von diesen Dreien herausgehauen werden, vielleicht zuerst nachgedacht wird, wieso das so ist. Und ob das okay ist. Und wenn nicht, was getan werden kann. Zum Beispiel das Preisgeld gleich setzten. Und so ein Rolemodel sein als Schweizer Skateboard Verein von Swiss Olympics.
Inspiriert von Dr. Karolin Heckemeyer, u.a. Mitglied der Forschungsgruppe «Transnational Scholars for the Study of Sport and Gender»