Tradition wahren und Innovation zulassen – Olympia im hier und jetzt! Am 3. August 2016 stimmte das internationale olympische Komitee (IOC), neben 4 weiterenSportarten (Baseball/Softball, Karate, Skateboard, Sportklettern) auch für die Aufnahme des Surfsportes zu den olympischen Spielen in Tokio 2020.
Die Entscheidung
Die Intension hinter der Möglichkeit nationaler, organisierender Komitees die Flexibilität einzuräumen, neue Sportarten für ihre Edition der Spiele vorzuschlagen, beruht auf dem neuen Fokus der Spiele: Mehr Innovation und Jugend in das Programm und die Entwicklung der olympischen Spiele zu integrieren. Nach rund zwei Jahren der Entscheidungsphase, gibt Tokio 2020 als erster Gastgeber der Olympischen Sommerspiele sein Debut von der neuen Offenheit des IOC.
Präsident des internationalen olympischen Komitee, Thomas Bach:
„ Wir möchten den Sport näher an die Jugend bringen. Mit den vielen Möglichkeiten, die sich der Jugend heutzutage bieten, können wir nicht erwarten, dass sie automatisch auf uns zu kommen. Wir müssen an sie herantreten. (…) Alles in allem, stellen die fünf Sportarten eine innovative Kombination aus bestehenden und entstehenden, Jugend-orientierten Vorgängen dar, die in Japan zeitgemäß sind und werden somit in die Spiele in Tokio integriert werden.“
Wie es dazu kam und Warum
Hauptverantwortlicher für die Aufnahme des Surfsports ist hierbei wohl der Argentinier Fernando Aguerre. Als Mitbegründer der Surf-Marke Reef in den 80er Jahren, übernahm er 1994 die Präsidentschaft der International Surfing Association (ISA). Seine Mission, Surfen olympisch zu machen hat er nun erfüllt. Mit seiner Aussage, dass Surfen ein echter Weltsport sei, beliebter und verbreiteter als viele aktuelle Sportarten bei Olympia, untermauert er die Aufnahme des Sportes in die traditionellen Spiele. Dass Olympia eine kleine Krise durchläuft ist kein Geheimnis. Besonders deshalb versuchte man zuletzt immer wieder, zunehmend junges Publikum anzusprechen. Der Verjüngungsprozess von Olympia geht also in eine neue Runde. Denn die Genehmigung, vor allem Surfen und Skateboarden, die teils als urbane Sportarten gelten, mit in die olympische Agenda 2020 aufzunehmen, ist die wohl größte Evolution für das olympische Programm in der modernen Geschichte. Durch diese Handlung beweist das olympische Komitee, dass es sich mit seiner vorhandenen Tradition auseinandersetzt und sich anders als zuvor, nicht mehr dem Konservatismus verschreibt.
Die Umsetzung
Entgegen aller Annahmen, die olympischen Wettkämpfe im Surfen würden in einem der innovativen Wavepools (Eine künstliche, immer gleichbleibende Welle in einem Becken) ausgetragen, finden sie nun ganz authentisch im Ozean statt. Ca. 45 Minuten Fahrtzeit von Tokio entfernt, an dem bekannten Spot „Chiba“. Insgesamt sollen 40 Surfer, die sich aus aller Welt
zusammensetzen antreten. 20 Männer und 20 Frauen, die sich unabhängig von der Teilnahme an der World Surf League für das Event qualifizieren können. Wie genau das ablaufen soll, wurde bisweilen noch nicht bekannt gegeben. Klar ist jedoch, dass es nur eine Kategorie geben wird – Shortboard. Eine Erweiterung der Kategorien durch Longboarden, SUP und/oder Bodyboarden ist nicht vorgesehen. Zwei Tage werden zur Austragung des Contest angesetzt, was laut der Erfahrung aus anderen Surf-Contests ein sehr knappes Zeitfenster darstellt. Grund dafür sind die äußerst speziellen Konditionen, die Wind und Wetter bieten müssen, um surfbare Wellen vorzufinden.
Deutsche Surfer Teil von Olympia
„Wir sind dabei“ – schreibt der Deutsche Wellenreitverband (DWV) auf seinem offiziellen Internetauftritt. Seit Anfang diesen Jahres ist der DWV Mitglied im Deutschen olympischen Sportbund (DOSB). Philipp Kuretzky, Präsident im DWV erklärt weiter, dass in den letzten Jahren viel getan wurde, um die Aufnahme zu gewährleisten. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem DOSB und sind gespannt, was die Zukunft für uns bereit hält“, Philipp Kuretzky. Fest steht: Es gibt Potential für die Teilnahme deutscher Surfer an Olympia. Bei den Deutschen Meisterschaften im Wellenreiten, die seit nunmehr 20 Jahren ausgetragen werden, stellen sich jährlich die besten Surfer, mit deutschem Pass in Frankreich den Wellen. Man spekuliert, dass Frankie Harrer und Arne Bergwinkel, die derzeitigen deutschen Meister des Surfens, mögliche Teilnehmer für Team Deutschland bei Olympia 2020 sein könnten. Aber auch der deutsche Nachwuchs, – unter anderen – Rosina Neuerer, Lilly von Treuenfels und Tim Elter sind international bereits stark vertreten und nehmen erfolgreich an Wettbewerben teil. Die endgültige Entscheidung, ob und wer für Deutschland bei Olympia an den Start geht, liegt in den Händen der European Surfing Federation (ESF) und der International Surfing Association (ISA).
Alte Traditionen und neue Erkenntnisse
Die olympischen Spiele sollen wieder zeitgemäß werden. Surfen, wie auch Skateboarden sind das und gewinnen zunehmend an Aufmerksamkeit. Beides sind Sportarten, die einen bestimmten Lebensstil darstellen und jedem der sie ausübt, als Individuum die Möglichkeit bietet, seine eigene Art der Auffassung dieses Sports, durch Style darzustellen. Junge, kreative Sportarten wie das Surfen oder Skateboarden, erleben in den letzten Jahren und wahrscheinlich gerade aufgrund dessen, einen regelrechten Aufschwung. Olympia hingegen steckt in der Krise des älter werden, durchlebt sozusagen die Mid Life Crisis des Sports.
Ebenso, wie das >>ehemals<< konservative Olympia halten aber auch viele Sportler der jetzt neuen Disziplinen gern an alten Traditionen fest und stellen die Individualität des Surfens, den ‚Style‘, sowie die die Naturverbundenheit und die Freiheit des Sports durch die Teilnahme an Olympia in Frage. Die Angst vor Authentizitätsverlust ist bei Kritikern groß. Mit dem ersten großen und wahrscheinlich entscheidendsten Kritikpunkt sollte jedoch schnell aufgeräumt werden: Kein Wavepool, sondern der Ozean als Austragungsort. War das zu schnell? eine unzureichend durchdachte Entscheidung? Der Ozean verändert sich von Sekunde zu Sekunde, die Wellen sind nie gleich, die Konditionen und somit Wettbewerbs- Vor- und Nachteile verschieden. Inwiefern hier eine faire Entscheidung getroffen werden kann, darüber scheiden die Geister. Im Wesentlichen lebt jeder Sport davon, herauszustellen, wer der Beste ist. Auch im Surfen, dass von vielen Anhängern weniger als Sportart, sondern durch das Reisen und seine Naturverbundenheit, vielmehr als Lebensstil angesehen wird. Jedoch wird auch in der World Surf League, der offiziellen internationalen Surfliga, jährlich „der Beste Surfer des Jahres“ gekürt. Am Ende gewinnt derjenige Surfer, der über die elf verschiedenen Events des Jahres, die meisten Punkte erreichen konnte. Aufgrund der immerzu wechselnden Bedingungen während der Zeit, die ein Surfer im Wasser sein Können zeigt, kann keine Rücksicht darauf genommen werden, wie ‚ähnlich‘ seine gesurften Wellen, gegenüber den gesurften Wellen seines Gegners sind, hat man sich hier auf verschiedene ‚Spots’ in verschiedenen Ländern geeinigt. So wird das Können der Teilnehmer in verschiedensten Konditionen im Laufe eines Jahres getestet und beurteilt. Bei Olympia soll dies in nur zwei Tagen messbar gemacht werden. Um wirklich faire Bedingungen zu schaffen und klare Sieger und Verlierer herauszustellen, müsste allerdings in jedem Fall, die Gegebenheit geschaffen werden, dass Surfer, auf genau der gleichen Welle gegeneinander antreten. Natürlich ist das unter natürlichen Bedingungen im Meer unmöglich.
Fernando Agueres, ISA Präsident erklärte dem SURFER Magazine 2012 folgendes:
„Der größte Nachteil ist die Tatsache, dass es in vielen Städten der Spiele keine Wellen gibt. Daher werden künstliche Wellen benötigt werden. Das IOC will solide Weltklasse-Wellen sehen, damit die Zukunft des Surfens bei den Olympischen Spielen sichergestellt werden kann. Ich glaube, dass diese Technologie zu vernünftigen Kosten in der nahen Zukunft verfügbar sein wird.“
Zumindest für Olympia, das in einem wesentlich kürzeren Zeitraum als die WSL den ‚Besten Surfer’ küren will, hätten Wavepools diese unbeständigen Konditionen, die im Meer herrschen genormt und somit die Frage der Fairness gegenüber der Bewertungs-Bedingungen vereinfacht. Bei ähnlich individuellen Sportarten, wie dem Snowboarden oder Skateboarden wurde der Terrain, auf dem sich gemessen wird, beispielsweise durch eine Halfpipe, eine Mega-Ramp oder dem gleichen Park Set up für alle Teilnehmenden genormt und somit den olympischen Richtlinien der Messbarkeit der Fähigkeiten eines Sportlers gegenüber eines anderen, angepasst. Fernando Agueres weiter, gegenüber dem SURFER Magazine:
„Wenn Surfen in die Olympischen Spiele einbezogen werden sollte, glaube ich nicht, dass es den Sport an sich verändern würde. Schauen Sie sich das Snowboarden an. Es zeigt, wie es mit dem Surfen in Zukunft auch aussehen könnte. An dem Surfport selbst muss man sicherlich nichts verändern, um es Teilnahme-fähig zu machen. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es passiert.“
Allgemein ist festzustellen, dass der Konflikt, ob Surfen mehr als Sportart mit Regeln oder als Lebensstil angesehen werden sollte, schon weit vor der Entscheidung, das Surfen in die olympischen Spiele mit aufgenommen wird bestand. Und schon Albert Einstein wusste, dass wir die vor uns liegenden Probleme nicht mit dem Denken bewältigen können, das die Probleme
erzeugte, und wir also neue Denkweisen einleiten sollten. Fakt ist auch, dass schon Duke Kahanamoku, der als einer der frühesten Vertreter des Surfens gilt, davon träumte, Surfen mit in die olympischen Spiele aufzunehmen und es heute, 50 Jahre
nach seinen ersten Versuchen Realität wurde. Die Meinungen der Stars der Szene über ihren Sport als neue olympische Disziplin sind unterschiedlich.
John John Florence (HAW), Surf-Weltmeister der WSL gegenüber VICE Sport – stand August 2016:
„Dass professionelles Surfen eine olympische Disziplin wird, ist eigentlich die größte Ehre, die einer Wettkampfsportart zuteilwerden kann und ich bin unfassbar heiß darauf teilzunehmen. Immerhin ist es das größte Sportereignis der Welt. Natürlich sind noch eine Menge Fragen offen. Ich bin sehr gespannt auf die Umsetzung. Künstliche Wavepools oder natürlicher Ozean. Wie qualifiziert man sich überhaupt? Auf jeden Fall würde ich gerne für Hawaii an den Start gehen!“
Connor Coffin (USA), Pro-Surfer der WSL gegenüber VICE Sport – stand August 2016:
„Es wurde lang genug drüber geredet. Ich hoffe jetzt passiert es endlich. Ich denke, dass es einfach einen komplett neuen Spirit hervorbringt, in dem die Athleten eines Landes kameradschaftlich auf ein und dasselbe Ziel hinarbeiten. Es ist einfach die Richtung, in die sich professionelles Surfen entwickelt. Mittlerweile gibt es sogar Dopingkontrollen und das immer regelmäßiger. Die Leute verstehen endlich, dass es sich hier um einen richtigen Sport handelt, genauso wie beim Snowboarding. Es ist ein schmaler grad, aber Surfer entwickeln sich mehr und mehr zu richtigen Athleten.”
Kieran Perrow (AUS), World Surf League Comissioner und ehemaliger Pro-Surfer gegenüber VICE Sport – stand August 2016:
„Ich denke es ist verdammt aufregend für die Sportart Surfing an dieser Entwicklung teilzunehmen. Die meisten Pro-Surfer sind heiß auf eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Als sportverrückter Mensch ist dieses Event einfach der Gipfel der Sportlichkeit. Natürlich bringt der Surfsport einen absolut frischen Wind und ein junges Publikum mit in die Spiele. Sport ist einfach zum Teil Wettkampf, aber wird auch immer seine Wurzeln in Sachen Lifestyle bewahren können. Du kannst einer attraktiven Sportart die Coolness einfach nicht nehmen.”
Beitrag von Janine Reith – Instagram: janinereith – Web: www.janine-reith.com – Facebook: @reithjanine YouTube – Janine Rieth
Quellenangaben und Zitate:
https://www.olympic.org/news/ioc-approves-five-new-sports-for-olympic-games-tokyo-2020
http://wellenreitverband.de
http://www.worldsurfleague.com/pages/about
Zitate:
http://www.surfer.com/features/should-surfing-be-in-the-olympics/#STLeiKJTRHx403Fb.97
https://sports.vice.com/de_de/article/olympia-braucht-skateboarding-skateboarding-aber-nichtolympia