Dass wir Mädels im Surfen immer noch eine Minderheit darstellen wissen wir alle. Ich persönlich finde das weder schlimm, noch heiße ich es für gut. Eigentlich habe ich darüber keine Meinung, denn es ist mir prinzipiell völlig egal, ob Surfergirls die Crowd ausmachen oder mehr Dudes im Line up sitzen – Hauptsache es hat Wellen! Ob es eine angenehme Session wird oder nicht, liegt meines Erachtens an der Erfahrung und der persönlichen Charaktere der mit-surfenden.
Sicherlich ist es für uns Frauen anstrengender und somit gleichzeitig schwieriger, gegen Männer für eine Welle anzupaddeln. Aber wir sind das gewohnt, denn das war noch nie anders und in dem Moment, in dem wir uns für das Surfen entschieden haben, wussten wir doch alle, dass es – sicherlich nicht nur deshalb- nicht einfach wird. Der Grund für diesen Nachteil liegt zumeist weniger an unserer Fitness oder unserem Können, sondern vielmehr an unserem Körper- und Muskelbau, an der Physis einer Frau also! Leider gibt es immer noch viele männliche Surfer, die das nicht wissen, sich nicht darum scheren, oder – im schlimmsten Fall – darüber informiert sind, es aber trotzdem ignorieren. Hierfür gibt es im Vokabular der Meisten einen Ausdruck. Er lautet: RÜCKSICHTSLOS.
Ich bin froh, dass ich bislang mehr gute, als schlechte Erfahrungen mit männlichen Surfern gemacht habe. Sooo oft ist man das einzige Mädel unter gefühlt 100 Männern im Line up. Und meistens ist das auch kein Problem. Meistens…
Ich erinnere mich, als ich eine Woche Surftrip auf den Mentawais verbrachte. Hier war ich nicht nur das einzige Mädel im Line up, sondern auch das einzige Surfende Mädel in dieser Woche auf der gesamten Insel. Die Wellen waren nicht übermäßig groß. Für mich, mit knappen 1.60m dennoch über Kopf. Jedoch war es das Riff, das mich zögern lies. Es dauerte, bis ich die erste Welle wirklich entschlossen anpaddelte. Aber jeder der acht anderen Typen im Line up feuerte mich an. Und das war es letztendlich, was mir den entscheidenden Mut machte, in meine erste Welle zu ziehen. ‚Go Girl!‘ – riefen sie mir bei jeder Welle, für die ich mich entschied zu. Und kein andere machte auch nur einen Paddelzug in die selbe Richtung.
Auch in Lakey Peak, sicherlich einer der besten Wellen und meist besuchten Wellen in Indonesien, machte ich gute Erfahrungen. Selbst in Bingin, am wahrscheinlich -most crowded- Spot auf Bali erfuhr ich in den meisten Fällen Respekt und Entgegenkommen. Leider gibt es aber auch die anderen…
Und eigentlich ist es mir völlig Latte, ob mich jemand Surfer oder Surferin nennt oder ein formeller Brief mit „Liebe Studentinnen und Studenten“ oder einfach mit „Liebe Studenten“ anfängt. Hierdurch fühle ich mich keineswegs benachteiligt oder gar in meiner Ehre als Frau verletzt. Ich bin keine Feministin. Jemand, der mir aber von natürlichen Wegen körperlich überlegen ist, und sich rücksichtslos verhält, der verdient Karma! Karma in Form von Wipe outs, gebrochenen Brettern, Drop In ́s, immer und überall, heavy localism wo auch immer er surft, Seeigel in seinen Booties und fiese Quallen IN seinen Boardshorts, da wo ́s am meisten brennt- für immer! Natürlich geht ́s hier um eine spezielle Art männlicher Surfer: Machos. Die, die schon mit erhobener Brust ins Line up gepaddelt kommen um gleich von Anfang an jedem zu zeigen, wer der Babo ist.
Die Don Juan ́s der Wellen. Die Proleten des Surfen. Die, die Manieren nur vom hören-sagen kennen. Die, die sich ihre Cuts noch Zu Hause von Mama behandeln lassen. Diejenigen, die am lautesten Schreien um ihre befreundeten Babos zu grüßen. Die, die – wenn überhaupt – nur negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die, die es weniger sich selbst, sondern viel mehr dem Rest der Welt beweisen müssen. Die mit großem Ego-Problem und kleinem Pipi. Die, die sich ohne Aggressivität nicht ernst genommen fühlen, Die, die ihren Homespot niemals verlassen. Diejenigen, die es einfach nicht verstehen. Diejenigen, die einem eigentlich nur leid tun können – die Affen des Line ups und ihre Taktiken:
Der Begriff ‚Line up‘, ist ihnen eigentlich keiner. Sie benutzen ihn, als Synonym für Surfspot, haben aber in ihrer Surfkarriere selten darüber nachgedacht, warum man das so nennt. Hinten anstellen würde ihren Babo-Status zerstören, deshalb drängeln sie. Besonders, wenn sich Mädels in Position bringen – schließlich ist es gegen uns einfacher der Babo zu sein als gegenüber jemandem des gleichen Geschlechts. WAIT FOR YOUR TURN! Ausnahmslos für jede Welle zu paddeln ist nicht cool! Nehmt Rücksicht auf andere!
Positioning … heißt nicht, wie wild herum zu paddeln und ständig seinen Platz zu ändern, NUR, um um jeden Preis der Erste zu sein. Das nervt nicht nur uns Mädels, denen dadurch kaum eine Chance bleibt, sondern auch Andere! Häufig verursacht so ein Verhalten ungewollte, oder auch absichtliche Drop Ins anderer, genervter Mit-Surfer. Die Königsdisziplin unter allen Surf Babos und gleichzeitig die Steigerung des hektischen umher Paddelns ist dann das Snaken. Wenn ihr euer Positioning versemmelt, dann macht ́s bei der nächsten Welle besser und lernt daraus. Man(n) kann gar nicht für jede Welle richtig sitzen. Hinten oder Vorne um einen anderen Surfer herum Paddeln ist ein NO GO! Der, der zuerst in besserer Position sitzt hat die Welle auch verdient. ‚Wer zuerst kommt, malt zuerst!‘ – das kennen wir doch alle aus dem Kindergarten und müssen das nicht im Line up nochmal erklären!
Aber das mit den Begrifflichkeiten hatten wir ja bereits. Mein bestes Babo – Erlebnis war kürzlich in Portugal: Ein Mitarbeiter des 58 Surf Shop in Baleal drohte mir: „I ́m gonna break your f****** board!“. Ich bin ihm ‚versehentlich‘ gedropped, nachdem er mich mehrmals gesnaked hatte.
Was war euer bestes Babo – Erlebnis?
Stay safe out there fellow Surfergirls & keep the good vibes, your head and the surf up!
Alles liebe Eure Janine Reith
Instagram: @janinereith | Webseite: janine-reith.com | Facebook: Janine Reith
P.s Begrifferklärung ‚Babo‘: Jugendsprache für möchte-gern Boss oder Synonym für Volltrottel.