Surfen in eisig kalten Gewässern ein Traum oder eher ein Albtraum? Wahrscheinlich nicht jederfraus Ding, meiner Meinung nach jedoch definitiv einen Versuch wert. Für ganz viel Vorfreude auf ein solches Erlebnis, die richtige Art von Socken und ganz persönliche Tipps und Tricks hat sich Sara Gilje die Zeit für ein Interview mit uns genommen. Es wird intensiv, kalt, aber unvergesslich. Ich wünsche dir viel Spass beim Weiterlesen!

Tanja – Liebe Sara, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Du lebst an einem unglaublich schönen, rauen Ort auf dieser Erde. Könntest du uns ein kleines Intro über dich selbst geben, woher kommst du und wie sieht deine bisherige Reise so aus?
Sara – Hallo Tanja… Ja, ich bin eine 29-jährige Frau aus Norwegen und habe gerade die Schule als Osteopathin abgeschlossen. Ich begann mit 23 Jahren zu surfen und fast alle meine Entscheidungen danach basierten darauf, wo die Wellen waren. Ich war eine aktive Skifahrerin, wobei ich mich nach einigen Verletzungen tief in das Surfen verliebt habe, da es befreiend war, den gleichen Kick eines Sports ohne grosse Schmerzen zu bekommen. Ich bin nach Portugal gezogen und habe für ein Surfcamp gearbeitet. Seitdem habe ich in weiten Teilen der Welt gelebt und gesurft. Ich bin vor sechs Jahren nach Norwegen zurückgezogen und habe in Norwegen angefangen zu surfen. Es war ein unglaubliches Gefühl, die gleichen Wellen in meiner Heimat zu finden. Ich teile dies mit anderen Frauen, da ich festgestellt habe, dass wir normalerweise als Frauen im Line Up allein sind. Also schloss ich mich einigen Freunden an, die bereits ein Frauencamp im Extremsport betrieben, und begann mit einem Surfcamp für Frauen in Norwegen, das Surfcamp heisst IVRIG.
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Du lässt dich von der Natur leiten und allem was dazu gehört. Wie würdest du deine Liebe zur Natur und zu den dazu gehörenden Jahreszeiten in Norwegen beschreiben?
In Norwegen haben wir viele Möglichkeiten sowohl beim Skifahren als auch beim Surfen, Radfahren und Wandern. Die Natur hat etwas, das mich heilt. Wenn ich von wunderschöner Natur umgeben bin, scheint alles andere nicht so wichtig zu sein. Wobei ich an einem schlechten Tag einfach ins Wasser gehe und immer eine neue Perspektive auf die Dinge erhalte, die dann meistens auch Sinn ergeben. Die Natur ist also eine Art Empfaltungsort für mich, der mich wachsen lässt und glücklich macht!

Wir würden gerne mit dir vertieft über die Wintersaison sprechen, vor allem in Bezug auf das eisig kalte Surfen, etwas das für so viele von uns ein so grosser Traum ist. Kannst du dich daran erinnern, als du das erste Mal im Winter in Norwegen gesurft bist?
Surfen im Winter hat etwas ganz spezielles, ist jedoch kaum vergleichbar mit Bikini an und los gehts. Ich denke sogar, dieses Gefühl nach dem Surfen ist in einem kalten Gewässer noch viel bereichender.
Ja, ich erinnere mich sehr gut an dieses erste Mal. Es war auf Jæren, mit meinem besten Freund! Ich hatte eine viel zu schlechte Ausrüstung und nach dem ersten Eintauchen, dachte ich mir: Mein Kopf friert mir ein! Nachdem wir fertig waren, waren meine Zehen komplett weiss und ich hatte kaum noch Gefühl. Ich dachte mir, so ist es einfach … und habe innerlich schon abgeschlossen mit dem Thema Surfen zuhause (lacht).

Was hast du geändert an deiner Ausrüstung für diese eisigen Konditionen, dass mehr Raum für Spass entstehen konnte?
So einiges. Nach ein paar super kalten Erlebnissen habe ich mich mit gutem Equipment ausgerüstet, was heisst: 6/4 Wetsuit und 8mm Boots. Denn eine gute Ausrüstung ist extrem wichtig, ohne sie wirst du nicht lange durchhalten und die Freude extrem schnell verlieren. Was auch gut zu wissen ist, ist, dass das Paddeln mit einem so dicken Wetsuit, um einiges schwerer und anstrengender ist. Allgemein sind die Bewegungen um einiges langsamer, da man einfach nochmals zusätzlich Gummi in Bewegung bringen muss.
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Wie bereitest du dich auf so eine Surf Session vor? Gibt es Cold Water Surf Hacks, die du mit uns teilen kannst?
Ich trage immer Wolle an meinem Körper, vor und auch nach dem Surfen. Die Socken sind die letzten Kleidungsstücke, die ich ausziehe. Ich ziehe also den Wetsuit an und lass meine Wollensocken dran bis kurz bevor ich in die Boots steige. Solange nur der Körper etwas kalt hat beim Surfen, ist es meist kein Problem. Schlimm wird es erst, wenn die Hände und Füsse frieren, meistens ist die Session dann vorbei (lacht).
Viele Leute giessen heisses Wasser in die Handschuhe und Boots, ich bin da aber kein grosser Fan davon, da sie dann auch umso schneller wieder kalt werden. Ich zähl‘ da mehr auf ein gutes und intensives Warm Up an Land, das mobilisiert und durchblutet nochmals so richtig, bevor du ins Wasser gehst.
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Wie würdest du diesen Unterschied beschreiben zwischen Kalt- und Warmwasser-Surfen? Vielleicht in Bezug auf den Technischen und deine persönlichen Erfahrungen.
Wie schon erwähnt, es geht alles etwas langsämer. Man benötigt einiges mehr an Kraft für das Paddeln und den Pop Up. Beim Paddeln helfen jedoch die Handschuhe, da sie etwas mehr Wasser befördern, was Freude macht. Meiner Meinung nach sind dazu die Glücksgefühle nach einer guten Welle viel intensiver im kalten Wasser, wahrscheinlich weil man sich diese körperlich noch viel mehr erkämpfen muss. Ich glaub, das ist es auch, was mir so sehr daran gefällt. Dazu gehört das Surfen zu hause für mich zum Alltag dazu, was natürlich nicht vergleichbar ist mit dem Reisen.


Was sind deine Top 5 Surf Spots im kalten Gewässer?
Lofoten, Jæren, Salstein und ich möchte unbedingt nach Island und Schottland.
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Mit deiner Leidenschaft inspirierst du viele Frauen, inklusive mich! So sehr bei sich selbst zu sein und das mit anderen zu teilen ist etwas unglaublich Schönes. Wobei wir natürlich gerne mehr über IVRIG erfahren würden.
Ahh… herzlichen Dank, Tanja! IVRIG funktioniert als ein Netzwerk für Mädchen und Frauen, die den Extremsport lieben. Wie du ja auch weisst, ist es manchmal so, dass Frauen andere Frauen brauchen für diese wichtige Motivation – ging mir persönlich auch so! Es inspiriert mich extrem, wenn sich Frauen dazu überwinden, im Sport und auch persönlich zu wachsen. Wobei wir mit IVRIG, so wie ihr mit Chixxs on Board, Frauen die Möglichkeit geben möchten, diese Inspiration zu teilen und gemeinsam zu wachsen. Spass haben und erleben… ist der Weg zum Ziel. Durch das ganze Jahr bieten wir daher Camps in den Bereichen Skifahren, Snowboarden, Surfen, Biken, Yoga und Workouts an. Dabei geht es vor allem um diese neuen Freundschaften, den Spass und natürlich die Erfolgserlebnisse.

Was war dein intensivstes (gut oder schlecht) Surferlebnis im eisig kalten Wasser?
Eines meiner besten Erlebnisse war die ganze Aufnahme vom Film “A Girls Thing”, in dem so viele tolle Frauen involviert waren und die Jungs im Line Up nicht mehr durchblickten. Es war ein so gutes Gefühl, mal als Mehrzahl von Frauen im Line Up zu sitzen, auch wenn nur für einmal.
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Was sind deine persönlichen Ziele für diesen Winter?

Ich werde durch ganz Norwegen reisen und eine Art Web Series kreieren. In diesen treffe ich viele verschiedene Frauen rund um Norwegen, um zu sehen, wie sie leben und um die verschiedenen Communities kennenzulernen. Ich freue mich sehr auf diese Zeit!
Gibt es noch etwas, das du mit unseren Leserinnen teilen möchtest? Vielleicht gerade für das erste Cold Water Surferlebnis?
(lacht) Dran bleiben! Du musst dir die Zeit lassen, in diese Art des Surfens einzutauchen. Das Surfen im kalten Wasser ist fast schon eine andere Art von Surfen, aber vom Zeitpunkt an, wo du den Code geknackt hast, ist es das beste Gefühl. Vor allem beim Reflektieren nach einer heissen Dusche und einem leckeren Essen!
Herzlichen Dank, Sara, für deine Zeit und deine Ehrlichkeit!