Verlockender Piz statt Chäferberg. Frische Brise statt Abgasluft. Plätschernder Bergbach statt übervolle Limmat. Zugegeben, diese Gegenüberstellungen sind etwas plakativ. Trotzdem hast du dich vielleicht auch schon beim Gedanken «Ach, am liebsten würde ich in den Bergen wohnen» ertappt. Was es aber effektiv bedeutet, den Lebensmittelpunkt in die Berge zu verlagern, erfahren die meisten von uns Städterinnen nicht. Es bleibt beim Traum und den (zu romantischen?) Vorstellungen. Anders bei Catherine Lippuner, Marianne Peyer und Lukas Hug. Sie sind dem Ruf der Berge gefolgt und haben sich eine neue Existenz im Oberengadin und in der Region Viamala aufgebaut.

Lehne ich mich aus dem Fenster, sehe ich aus den Augenwinkeln den Üetliberg und den einen oder anderen Baumwipfel. Das bisschen Grün täuscht nicht darüber hinweg, dass ich mitten in der Stadt Zürich lebe. Eine Stadt, die ich liebe und für ihre zahlreichen Annehmlichkeiten schätze. Eine Stadt, die mir manchmal aber auch zu laut und zu voll ist und mich nervt. Dann sehne ich mich nach Ruhe, Weite und mehr Natur. Der Stadt den Rücken kehren? So oft ich schon mit dem Gedanken gespielt habe, so oft bin ich auch wieder davon abgekommen. Anders sieht es bei Catherine, Marianne und Lukas aus. Mit Mut und Zuversicht im Gepäck haben sie sich auf in die Berge gemacht.
Die Wege führten nach Graubünden
Lukas und Marianne stammen ursprünglich aus Luzern. Vor fünf Jahren zogen sie von der Zentralschweiz in das beschauliche, nur knapp 55 Einwohner*innen zählende Mathon. Mitten im Naturpark Beverin führen sie heute gemeinsam die Pensiun Laresch. Catherine wiederum ist im Rheintal aufgewachsen, hat in grossen Städten und im Ausland gelebt. 2019 fand sie im Oberengadin ihre neue Heimat und als Pächterin des Hotels Chesa Salis ein neues Herzensprojekt.

Aber warum genau Mathon und Oberengadin? Wie wussten die drei, dass sie ‹ihren› Ort gefunden hatten? «Ich spürte einen inneren Sog, dem ich einfach folgen musste», beschreibt es Catherine. Dasselbe Gefühl verspürte sie bereits auf Reisen durch Marokko und wusste daher, dass sie sich darauf verlassen kann. «Dieses ‹Ziehen› hat mich bisher immer an schöne Orte geführt.» Auch Lukas und Marianne kannten die Viamala-Region aus ihren Ferien. Überhaupt nutzten sie früher jede freie Minute, um die Alpen zu entdecken. «Wir verbrachten unsere gesamte Freizeit in den Bergen und mussten immer weite Wege zurücklegen», schildern sie. Das Wohnen und Arbeiten in die Berge zu verlagern, war für sie daher eine logische Konsequenz.
Yin & Yang am Berg
Auf der einen Seite ist da dieser Wunsch, zur Ruhe kommen und eins mit der Natur sein. Auf der anderen Seite sitzt die Angst zu vereinsamen und vor den fehlenden Möglichkeiten, die ein eremitisch angehauchtes Bergleben mit sich bringen kann. Damit befassten sich auch Lukas, Marianne und Catherine. «Es hat doch einiges an Mut gebraucht, denn wir wussten nicht, ob unsere Ideen auch wirklich funktionieren», erzählen Marianne und Lukas. Auch Catherine bestätigt: «Ich hatte am Anfang die – aus heutiger Sicht unbegründete – Angst, hier oben weniger Möglichkeiten zu haben.»

Natürlich, ‹einfach schnell mal› gibt es nicht (mehr). Alles benötigt etwas mehr Organisation, egal, ob es eine neue Nackenrolle für Shiatsu-Therapeutin Catherine ist oder ein Besuch bei Lukas’ und Mariannes Verwandten in der alten Heimat – oder, seien wir ehrlich, auch einfach nur der Einkauf im nächst grösseren Dorf.
In den Städten und Ballungszentren der Schweiz sind wir von einer unglaublichen Vielfalt an Optionen verwöhnt. Die Berge bieten mit ihrer Natur zwar ihr ganz eigenes Programm, zahlreiche klassische Unterhaltungsangebote fallen aber komplett weg. «Ich beobachte oft, dass Menschen aus einem ‹bevölkerten› Ort hierher ziehen und es ihnen irgendwann zu langweilig wird», sagt Catherine. In den Bergen leben heisst nämlich auch, sich absolut bewusst sein, dass es nicht tausend und eine Möglichkeit gibt, aus denen täglich gewählt werden kann. Dennoch sind sich die drei einig: Türen haben sich ihnen in den Bergen eher geöffnet als verschlossen.
Der Traum vom eigenen B&B
Den Mut haben, in die Berge zu ziehen, ist das eine. Den Mut haben, gleichzeitig ein eigenes Geschäft aufzuziehen, ist nochmals eine ganz andere Geschichte. Spätestens hier werden (zu) romantische Vorstellungen dann definitiv einer Realitätsprüfung unterzogen. «Gerne in den Bergen sein oder in den Bergen zu arbeiten und sein Geld zu verdienen, sind zwei verschiedene Sachen», betonen Marianne und Lukas. Arbeitstage von bis zu 15 Stunden, manchmal an sieben Tagen die Woche sind keine Seltenheit, besonders während der Hauptsaison. Trotzdem: «Bringt man hier Leben und Arbeiten unter einen Hut, ergibt dies eine grosse Lebensqualität.»
Lukas und Marianne haben ihre Pensiun Laresch von Grund auf selbst geplant. Gemeinsam mit einem befreundeten Architekten schufen das heutige Wahrzeichen von Mathon. Eine ökologische Bauweise und ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen waren und sind ihre oberste Priorität. Catherine passierte im Rahmen ihrer Reit & Yoga Retreats im Oberengadin oft die Chesa Salis. Als letzten Herbst die ehemaligen Pächter*innen gingen, nutzte sie gemeinsam mit einer Freundin die Chance und schrieb den Besitzer «völlig blauäugig» an. Eine Antwort und Einladung für ein Treffen folgten – der Rest ist Geschichte. «In Zürich hätte mir garantiert niemand sein Hotel einfach so anvertraut», lacht Catherine. «Hier öffnen sich viel mehr Türen, als es in Zürich gibt.»
Tipps für den ersten Schritt
Catherine, Marianne und Lukas haben ihre Entscheidung zu keinem Zeitpunkt bereut. Sie hatten einen Traum, eine Idee, eine Vorstellung – und sie hörten auf ihre Intuition. «Wenn es flowt, dann flowt es. Wenn du ready bist, dann wird es auch klappen», ist Catherine überzeugt. Also einfach mal machen? Jein. Auf der einen Seite ist es sicherlich gut, wenn du für dich selbst weisst, weshalb du in die Berge willst. Vielleicht stecken falsche, idealisierte Vorstellungen dahinter. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, das Experiment einfach zu wagen: «Wenn es nicht klappt, kannst du immer wieder wegziehen», meint Catherine pragmatisch. Lukas und Marianne empfehlen ebenfalls, sich zu trauen. «Vielleicht sind es zu Beginn auch einfach einmal ein paar Monate.» Denn, besonders mit der Ruhe und der Einsamkeit musst du erst umzugehen lernen. Ob du das aber kannst, weisst du erst, wenn du längere Zeit dort gewesen bist.
Catherine schliesst mit der Erkenntnis: «Ich bin immer wieder erstaunt, wie weit man mit etwas Naivität, Mut und keiner Angst vor Zurückweisung kommt. Daher: Traut euch!» Sie und die Geschichte, wie sie zur Chesa Salis kam, sind der beste Beweis dafür, dass sich das Wagnis auszahlt.
Die Chesa Salis
Was für ein Setting: Das Patrizierhaus aus dem 16. Jahrhundert steht in 6’000m2 Garten mit anschliessenden Koppeln für die Pferde und geniesst einen 360°-Blick auf die umliegenden Berge. Catherine und ihre Freundin Helena führen das Hotel mit den 18 Zimmern seit Juni 2020. Die beiden bezeichnen sich nicht als klassische 0815-Hotelières. Stattdessen als zwei Biologinnen, die keiner geradlinigen Karriere folgten, dafür immer machten, worauf sie Lust und woran sie Freude hatten. Ihr Ziel: Den Gästen helfen, den Ballast des Alltags hinter sich zu lassen und wieder in eine Leichtigkeit zu kommen, die dem menschlichen Naturell entspricht.
Sommersaison: 12. Juni bis 25. Oktober 2020
Wintersaison: 11. Dezember bis 5. April 2020
Preise: Variieren nach Zimmerkategorie, du findest sie hier
Specials: ÖV & Bergbahnen im Sommer ab 2 Nächten inkl., im Winter profitierst du von vergünstigten Skitickets. Mit dem Code Chixxs@ChesaSalis bekommst du als Leserin auf deinen ersten Aufenthalt in der Chesa Salis 10% (Sommersaison 2020).
Klick hier für mehr Informationen: Web, Instagram, Facebook
Catherines Tipps für dich, um
…dich auszupowern: Wandere von Punt Muragl nach Muottas Muragl («Hallo Cardio!»), kehre bei Chris auf der Alp Muottas ein, gehe danach weiter hoch zur Segantini Hütte und lasse dich von der atemberaubenden Aussicht auf die Seenplatten verzaubern. Dann runter nach Pontresina zu Gianottis, um den Zuckerspiegel wieder ausgleichen.
Alternativ: Wandere von der Segantini Hütte auf dem Steinbockweg weiter auf den Piz Languard («Steil isch geil!») mit Stop und evt. Übernachtung in der höchsten Berghütte Graubündens, der Georgy’s Hütte auf 3’202 M.ü.M.
…abzuschalten: Mache einen gemütlichen Ritt (auch für Anfängerinnen) auf der Engadiner River Ranch, es gibt Ritte direkt von der Chesa Salis aus; oder wandere entspannt von Surlej zum Hahnensee, dem Laj Nair und dem Lej Marsch; oder umrunde den Lej da Staz und lege einen Kuchen-Stop im Hotel Lej da Staz ein («Das Kuchenbuffet ist riesig!»). Abschliessend kannst du das verträumte Milli Weber Haus besuchen.
Die Pensiun Laresch
Klein, aber fein – das ist Mariannes und Lukas’ Pensiun Laresch. Hier treffen herausragende Architektur, Design, natürliche Baumaterialien und ökologische Bauweise auf unkomplizierte und herzliche Gastfreundschaft. Die Berglodge mitten im Naturpark Beverin bauten die beiden durchgängig aus Stein, Lehm und Holz. Geheizt wird mit einer Erdsonde, der Strom wird von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach geliefert. Die Pensiun Laresch verfügt über sechs Zimmer, in deren Arvenholz-Betten es sich herrlich schläft. Auf Wunsch verwöhnen Lukas und Marianne dich auch kulinarisch. Ihre saisonal ausgerichtete Küche beruht auf biologisch produzierten, regionalen Grundzutaten. Was gibt es Besseres nach einem langen Tag in den wunderschönen, einsamen Bergen der Viamala-Region?
Sommersaison: 20. Mai bis 8. November 2020
Wintersaison: 26. Dezember 2020 bis 5. April 2021
Preise: ab CHF 189.00
Alle Informationen dazu findest du hier: Web, Instagram, Facebook
Marianne und Lukas’ Tipps für dich, um
…dich auszupowern: Mache eine Skitour auf den Beverin oder fahre mit dem Bike auf die Alp Nurdagn und über Andeer wieder retour; auch Skitouren bei Neuschnee mit Abfahrt nach Donat oder zum Surettahorn mit Abfahrt nach Sufers sind herrlich; oder wandere zu den Surettaseen und bade und klettere im Wechsel.
…abzuschalten: Mache einen Abstecher in die Sauna in Andeer und lasse anschliessend den Abend auf dem Sofa in der Pensiun Laresch bei einem feinen Glas Wein oder einer Tasse Tee und guter Lektüre ausklingen.